Trauerredner
Dr. Michael Dur

Gedichte vom Trauerredner Dr. Michael Dur aus Berlin

„Wir leben so lange, wie wir in den Erinnerungen anderer weiterleben.“

Dieser Gedanke begleitet mich täglich in meiner Arbeit als Trauerredner. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, mit einfühlsamen Worten und kreativen Ideen dazu beizutragen, die Erinnerungen an geliebte Menschen lebendig zu halten.

Trauernde, die von mir begleitet werden, schätzen insbesondere die Möglichkeit, persönliche Gedichte einzubringen, die ich individuell auf die Lebensgeschichten der Verstorbenen abstimme. Als kleines Beispiel möchte ich Ihnen hier einige meiner Gedichte – losgelöst von einem konkreten Trauerfall – mitgeben:

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Titelbild Gedichte vom Trauerredner in Berlin
Titelbild Trauerrede Gedicht - Der Trauerredner

Ein Wort vorweg – vom Trauerredner selbst

Manche Dinge lassen sich nicht besser sagen als in Versen. Dieses Gedicht spricht aus, was meine Haltung als Trauerredner prägt: mit Feingefühl, leiser Würde und einem Blick auf das Gute im Leben – auch dann, wenn der Glaube nicht (mehr) selbstverständlich ist.
Den letzten Weg soll niemand allein gehen – und Worte können begleiten.

Der Trauerredner

Der letzte Weg – wer will ihn schon allein
Durch Nebel, Stille, Abschiedsschmerz sich bahn’n?
Man hofft auf Hände, die noch einmal halten,
Auf Blicke, die im Gehen uns begleiten.

Die Liebsten kommen, Freunde, Weggefährten,
Auch Nachbarn, Kollegen – sie ehren den Wert
Des gelebten Lebens, das nun still verweht –
Doch nicht vergeht, wenn einer davon spricht.

Der Pfarrer schweigt, der Redner aber findet
Die Töne, die zum letzten Bild verbinden.
Er liest im Buch, das nie geschrieben stand,
Und reicht ein Wort, wie Trost aus warmer Hand.

Man hat im Leben wenig Zeit gehabt,
Sich selbst zu deuten, klar und fest zu sagen,
Wofür man stand – und ob man je geglaubt –
Doch darf man zweifeln, ohne es zu tragen.

Die Kirche? Ach, sie rückte leis davon,
Der Abschied fiel erstaunlich leicht – und schwer.
Und doch ist’s gut, wenn einer sanft davon
Ein Wort verliert – vom Himmel, und noch mehr.

Denn mag der liebe Gott auch ungewiss,
So fühlt man doch: Es fehlt da etwas nicht.
Wenn einer, der vom Leben Abschied nimmt,
Ein wenig Gnade in die Worte bringt.

Und wenn er freundlich auf das Leben blickt,
Dem Guten still ein helles Lichtlein schenkt,
So wird vielleicht auch manches, das uns drückt,
Am Ende sanft in Güte umgetränkt.

Die eine oder andre Leiche im Verlies –
Die bleibt verschwiegen, Gott sei’s Preis und Ehre.
Der Redner lächelt – weiß und sagt doch nichts –
Und führt uns leise über die letzte Schwelle.

© Michael Dur

Titelbild Trauerrede Gedicht

O Mensch mit der verwirrten Seele

O Mensch mit der verwirrten Seele,
durchstreift hast du die weite Welt,
auf Gottes Spur, durch hundert Sphären,
doch blieb dein Herz dir selbst entstellt.

An Meeresufern stehst du heute,
der Blick verliert sich fern und weit,
was du verlor’n, war nie im Außen,
es schlummerte in dir, verschneit.

Der Nebel, der dich blind gemacht,
entstieg dem Innern, still und schwer,
du suchtest Gott in tausend Steinen,
doch fandst dich selbst nicht — nirgends mehr.

Nun, da du hier am Ufer weilst,
sei kühn, sei stark, hab keine Furcht!
Tauch ein ins Meer der tiefen Wahrheit,
bis jede Trennung sich entwirrt.

Lös dein Herz von ird’schem Klammern,
lass los, was dich ans Leben bindet,
und sinke tiefer in Erkenntnis,
bis Gottes Wesen dich umwindet.

Und tauchst du ein — tauch weiter, tiefer,
kein Grund soll je dein Ziel noch sein,
denn wer sich selbst im Wissen findet,
der wird im Einen ewig sein.

Und wenn ein Mensch die Reise endet,
sein Herz den letzten Schlag vollführt,
dann sinkt er nicht in dunkle Tiefen,
sondern wird heimwärts sanft geführt.

© Michael Dur

Titelbild Trauerrede Gedicht

Freund Hein – Erlöser oder Schwert?

Freund Hein, ein Freund, so nennen ihn viele,
doch birgt er mehr als nur sanfte Gefühle?
Er kann Erlöser sein, trägt Frieden im Blick,
doch oft reißt er Herzen, nimmt Liebe zurück.

Was folgt ihm nach, wenn die Augen sich schließen?
Ist's endloser Schlaf oder himmlisches Fließen?
Die Religionen malen in schillerndem Licht,
doch was ist die Wahrheit? Wir kennen sie nicht.

Zweiunddreißig Jungfrauen, ein Paradies,
oder Flammen der Hölle, die Seele, die flieht?
Himmel und Hölle, Versprechen, die locken,
liegt die Logik in Mythen, die uns schocken?

Schlimm ist die Trennung, das Ende der Zeit,
wenn ein Herz, das wir lieben, ins Dunkel entgleit’.
Für den Sterbenden Frieden, das Ende von Pein,
für die Liebenden bleibt nur das bitterste Sein.

Wo finden wir Trost in der großen Frage?
Was kommt nach dem Tod in der letzten Lage?
Vielleicht in Gedichten, in Worten der Weisen,
in Gedanken, die mit Dogmen uns abspeisen.

Hör Goethe, der sprach von des Meeres Ruh,
oder Schiller, der rief: „Die Welt ist Tabu!“
Hör Nietzsche, der meinte: „Das Leben ist Tanz“,
den Tod zu erfassen? Aussichtslos, Firlefanz.

Vielleicht liegt die Antwort nicht fern, sondern nah,
im Hier, im Jetzt, in dem, was geschah.
Freund Hein wird kommen, ob sanft oder wild,
die Liebe bleibt ewig, ein unsterbliches Bild.

© Michael Dur

Titelbild Trauerrede Gedicht

Das Geheimnis von Freund Hein

Ein Schritt ins Dunkel, der letzte der Zeit,
die Antwort verborgen, kein Mensch je bereit.
Was folgt, fragt der Geist, und zittert vor Nacht,
doch der Körper, er ruht, vom Leiden entfacht.

Ist's Nichts, das uns birgt, ein ewiger Schlaf?
Ein Kreis, der sich schließt, und Leben schafft?
Ist’s Traum, ist’s Wiederkehr, ist’s Sein, das verglüht,
oder bloß Ewigkeit, die schweigend erblüht?

Die Philosophie sie ringt seit Äonen daran,
den Tod zu begreifen, so tief sie's auch kann.
Epikur sprach gelassen: „Den Tod wirst du meiden,
solang du bist, wird er dich nicht begleiten.“

Doch Kierkegaard fragte, in Glauben versenkt:
„Ist’s Gott, der am Ende dem Sterbenden schenkt,
die Erlösung und Heimat, ein ewiges Licht,
oder gibt es ihn nicht, der das Leben verspricht?“

Die Wahrheit, sie liegt wohl nicht in den Lehren,
nicht in Dogmen, die uns zum Glauben bekehren.
Vielleicht ist der Tod nur ein Spiegel, der zeigt:
Das Leben allein war der Sinn, der uns bleibt.

Und dennoch, es ist bitter, das Ende zu seh’n,
die Trennung zu spüren, lässt Herzen vergeh’n.
Doch die Liebe, sie bleibt, sie trägt uns hinaus,
sie weht durch die Zeit, wie ein Licht nach dem Aus.

Der Tod mag ein Rätsel, ein Schattenbild sein,
doch vielleicht wird er leiser, wird wirklich Freund Hein,
wenn wir Trost in Gedanken, in Liebe erspüren,
die Zeit zu begreifen, statt sie zu verlieren.

© Michael Dur